Warum sollte man Slang überhaupt übersetzen? Ganz einfach: Sprache verändert sich rasanter, als wir neue Wörter aufnehmen können. Das Internet, soziale Netzwerke, Memes – all das bringt ständig neue Ausdrücke hervor. Und wer professionelle Übersetzungen anbietet, muss diesen lebendigen Teil der Sprache verstehen. Eine witzige Bemerkung auf Instagram oder ein Satz aus einem TikTok‑Video kann für den Übersetzer zum echten Kreativtest werden.
Was man unter Slang und Neologismen versteht
Slang ist eine Sprache in der Sprache. Er entsteht innerhalb bestimmter Gruppen und folgt eigenen Regeln. Jugendliche, Gamer, Marketingprofis oder Entwickler – jede Community hat ihr Vokabular. Neologismen hingegen entstehen meist an der Schnittstelle zwischen Technik und Kultur: „posten“, „liken“, „streamen“. Manche Begriffe verschwinden so schnell, wie sie gekommen sind, andere entwickeln sich zu festen Bestandteilen des Alltags. Für den professionellen Übersetzer bedeutet das: ständig dranbleiben, Trends beobachten und die Entwicklung der Sprache aktiv begleiten.
Warum Slang so schwer zu übersetzen ist
Das eigentliche Problem beim Übersetzen von Slang besteht darin, dass seine Bedeutung selten wörtlich ist. Häufig geht es um Tonfall, Stimmung oder Gruppenzugehörigkeit. Wer wörtlich übersetzt, verliert Humor und Wirkung. Das englische „spill the tea“ heißt wörtlich „den Tee verschütten“, bedeutet aber „ausplaudern“ oder „Tratsch erzählen“. Ohne kulturelles Wissen geht der Witz verloren.
Ein Übersetzer braucht also nicht nur Sprachkenntnisse, sondern auch ein Gespür für die Kultur, in der der Ausdruck entstanden ist. Nur so entsteht ein natürlich klingender Text. Genau darin liegt der Unterschied zwischen einer mechanischen und einer professionellen Übersetzung.
Lokalisierung statt Wort‑für‑Wort‑Übertragung
Geht es um Internet‑Humor oder Memes, ist der Begriff „Lokalisierung“ passender als „Übersetzung“. Lokalisierung bedeutet, nicht nur Worte, sondern auch kulturelle Bezüge anzupassen. Ein Meme über die amerikanische Highschool‑Kantine kann im deutschsprachigen Raum nur funktionieren, wenn man es mit vertrauten Bildern ersetzt – zum Beispiel mit dem Schultag, an dem die Currywurst ausverkauft war. Der Übersetzer wird in solchen Fällen zum Co‑Autor, der den gleichen Effekt mit neuen Mitteln erzielt.
Manchmal ist die beste Übersetzung diejenige, die niemand bemerkt – dann, wenn der Text beim Lesen natürlich klingt. Lokalisierung beginnt dort, wo man den Humor, die Emotion oder die Intention bewahrt, selbst wenn man den Inhalt stark verändert.
Neologismen als Spiegel ihrer Zeit
Jede technologische Entwicklung bringt neue Wörter hervor. Mit Social Media kamen Begriffe wie „Story“ oder „Hashtag“, mit Online‑Games tauchten Wörter wie „nerfen“, „Leveln“ oder „Grind“ auf. Übersetzer müssen entscheiden, ob solche Wörter bereits im Zielmarkt bekannt sind oder noch erklärt werden müssen. Einige Begriffe – etwa „Content“ oder „Chat“ – sind längst international. Andere verdienen eine kreative Übersetzung.
Ein Beispiel ist das japanische Wort „hikikomori“, das Menschen beschreibt, die sich vollkommen von der Gesellschaft zurückziehen. Hier reicht es nicht, das Wort einfach zu übersetzen – man muss auch die Emotion und gesellschaftliche Bedeutung vermitteln, die dahinterstecken. Kulturverständnis ist also genauso wichtig wie sprachliche Präzision.
Praxisbeispiele
In einem Übersetzungsprojekt für ein Videospiel stieß unser Team auf den Begriff „to nerf“. In der Gamersprache bedeutet das, dass eine Spielfigur oder Waffe nach einem Update abgeschwächt wird. Im Deutschen war kein etabliertes Wort vorhanden, also verwendete der Übersetzer „abschwächen“ oder umgangssprachlich „entschärfen“. Die Community übernahm den Ausdruck sofort – ein Zeichen dafür, dass kreative Übersetzung Erfolg hat.
Ein anderes Beispiel stammt aus der Werbung. Ein Kunde wollte einen englischen Kampagnenslogan auf Deutsch übernehmen, der auf einem viralen Meme basierte. Die wörtliche Übersetzung klang steif und unverständlich. Der Übersetzer schlug daher einen neuen Spruch vor, der denselben Witz, aber deutsche Referenzen verwendete. Die Kampagne wurde ein Erfolg – das Prinzip der Lokalisierung funktionierte perfekt.
Wie man mit dem Sprachwandel Schritt hält
Um Slang und Neologismen richtig zu übersetzen, muss man sie zuerst verstehen. Das bedeutet: aktuelle Quellen nutzen – Social‑Media‑Posts lesen, Podcasts hören, Serien in Originalsprache schauen. So bleibt man sprachlich und kulturell auf dem Laufenden.
Hilfreich ist auch das „Gefühl für Angemessenheit“: Passt der Ausdruck in den Zieltext, klingt er natürlich oder künstlich? Manchmal ist es besser, das Originalwort beizubehalten und kurz zu erklären, ein anderes Mal sollte man einen passenden, landestypischen Ersatz erfinden. Diese Entscheidung ist Teil der Kunst des Übersetzens.
Technologie: hilfreich, aber nicht unfehlbar
Maschinelle Übersetzungssysteme leisten heute viel – doch sobald Humor, Slang oder Ironie ins Spiel kommen, stoßen sie an Grenzen. Die Software liefert zwar eine wortgetreue Variante, erkennt aber nicht die Stimmung oder den Subtext. Deshalb bleibt der menschliche Übersetzer unersetzlich: Er kombiniert Sprachwissen mit Intuition, Humor und Kreativität. Professionelle Übersetzung ist und bleibt ein Handwerk mit künstlerischen Zügen.
Der Übersetzer als Kulturvermittler
Beim Übersetzen von Slang, Neologismen oder Memes überträgt der Übersetzer mehr als nur Sprache – er transportiert Kultur. Er entscheidet, was verständlich ist, was erklärt werden muss und wo eine neue Idee besser passt. In einer global vernetzten Gesellschaft ist diese Rolle entscheidend. Jede gelungene Übersetzung eines Slang‑Ausdrucks zeigt, dass Sprache Brücken schlagen kann.
Fazit
Die Übersetzung von Slang und Neologismen ist anspruchsvoll, aber sie macht den Beruf spannend. Sie verlangt Sprachgefühl, Kreativität und den Mut, Neues auszuprobieren. Für Übersetzungsbüros ist sie eine Gelegenheit, echten Professionalismus zu zeigen – nicht nur sprachlich exakt zu arbeiten, sondern auch den Puls der Zeit zu spüren.
Ein Tipp für angehende Übersetzerinnen und Übersetzer: Experimentieren Sie! Tauchen Sie in Online‑Kulturen ein, verfolgen Sie Trends, lesen Sie, wie Menschen heute tatsächlich sprechen. Dadurch lernen Sie, nicht nur den Sinn, sondern auch die Emotion hinter Worten zu übertragen. Genau darin liegt das Herzstück einer professionellen Übersetzung: Sie verwandelt Sprache in Verbindung – nicht in Barriere.